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Berlin ist mein Zuhause. Heidelberg mein Schicksal.
Für die Heidelberg-Ausgabe von HERZWERT hat uns Caroline von Kretschmann als Gastautorin in einem sehr persönlichen Gespräch spannende Einblicke in ihre und die Geschichte des Europäischen Hofs gegeben.
HERZWERT: War es schon immer klar, dass Sie irgendwann hier in Heidelberg als Geschäftsführerin im Europäischen Hof sitzen würden?
Caroline von Kretschmann: Nein, überhaupt nicht. Und ich habe mir die Entscheidung, ins Familienunternehmen in Heidelberg einzutreten, auch nicht einfach gemacht. 2005 hatten mir meine Eltern schon einmal die Unternehmensnachfolge angeboten. Schweren Herzens hatte ich mich damals nach einem Abwägungsprozess dagegen entschieden. Ich fühlte mich meiner eigenen Beratungsfirma mit den damals fünfzehn fest angestellten Mitarbeitern auch sehr verbunden und verpflichtet und war darüber hinaus fest verwurzelt in Berlin in meiner Partnerschaft und meinem Freundeskreis. Außerdem hatte ich Respekt, das sich in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld befindliche Traditionsunternehmen zu übernehmen. Ich wollte nicht die vierte Generation sein, die das Unternehmen nach drei erfolgreichen Vorgängergenerationen in den Ruin führt. 5-Sterne-Hotels sind üblicherweise renditeschwach, und ein Scheitern ist mit diesem Produkt immer eine Option. Meine Eltern haben meine Entscheidung verstanden, mich frei gelassen und toll auf meine Absage reagiert. Es gab keinen Druck. Sie wollten, dass ich glücklich bin. Nach einem Jahr habe ich allerdings gemerkt, dass mich das Familienunternehmen nicht loslässt. Es ist für Außenstehende häufig schwer nachvollziehbar, wie viel emotionale Bindungs- und Anziehungskraft Familienunternehmen entwickeln können. Das Unternehmen ist quasi ein Familienmitglied. Die Frage einer „freien Wahl“ daher auch eine philosophische. Ich fühlte, ich müsste mir das Hotel zumindest einmal von innen unternehmerisch angeschaut haben; ihm zumindest eine Chance gegeben haben, auch in der vierten Generation in privater Hand bleiben zu können. Zu zehn Prozent war ich damals überzeugt, dass ich das Hotel übernehmen werde, mittlerweile hat sich das Blatt zugunsten des Hauses gewendet.
HERZWERT: Wie fühlt man sich als Tochter der Eigentümer und als Quereinsteigerin in einem 5-Sterne-Hotel? Gibt es da nicht an jeder Ecke jemanden, der es besser weiß?
Caroline von Kretschmann: Ich fühle mich sehr wohl. Dies liegt wahrscheinlich auch daran, dass wir den Nachfolgeprozess sehr systematisch und bedacht angegangen sind. So habe ich mich ab 2010 zunächst tageweise und wie ein Berater in die Branche und das Unternehmen eingearbeitet. Im Rahmen einer strukturierten Strategieentwicklung hatte ich dadurch die Möglichkeit, nicht nur den Markt, sondern auch die internen Prozesse und Strukturen und auch die Mitarbeiter kennenzulernen. Und diese mich natürlich auch. Nach einem Jahr habe ich dann 2011 meine erste operative Leitungsfunktion im neu gegründeten Bereich Marketing und Vertrieb übernommen. Erst im Dezember 2012 schließlich die Gesamtverantwortung für alle Bereiche und die ca. 160 Mitarbeiter als Geschäftsführerin gemeinsam mit meiner Mutter. Mein Vater ist zu diesem Zeitpunkt in die Geschäftsführung der Besitzgesellschaft gewechselt und dort verantwortlich für die Vermietung der 49 Gewerbeeinheiten und sämtliche Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen im Hotel. Den Respekt der Mitarbeiter musste ich mir natürlich verdienen. Meine Eltern haben mich dabei sehr gut unterstützt. Sicherlich hat es auch geholfen, dass sie auch schon einmal Nachfolger waren. Meine Kernaufgabe verstehe ich in der Führung des Unternehmens. Das mache ich auch sehr gerne. Und in meinem Verständnis habe ich diese Aufgabe dann erfolgreich erfüllt, wenn ich es geschafft habe, an jeder Stelle einen Kollegen zu haben, der es in seiner bestimmten Rolle und in seiner speziellen Aufgabe „besser weiß“ als ich. Und wenn wir als Team gut zusammenarbeiten. Wir spielen hier ein Mannschaftsspiel. Wir müssen uns jetzt langsam auf die nächste Stufe vorbereiten, wenn meine Eltern irgendwann ihre operativen Funktionen abgeben wollen. Sie sind im Moment noch voll, also sechs Tage pro Woche zehn Stunden, im Unternehmen aktiv. Und dafür bin ich dankbar.
HERZWERT: Hotellerie ist eine eigene Welt: hochwertigste Dienstleistung, sehr viel Arbeit und ein Leben für den Gast. War das eine Umstellung für Sie?
Caroline von Kretschmann: Nein. Ich habe immer schon für mein Leben gerne gearbeitet. Das machen wir alle so in unserer Familie. Das ist quasi angelegt in unserer Familien-DNA. Deswegen ist es auch folgerichtig, dass unser Familienunternehmen ein Hotel ist, in dem sichergestellt ist, dass die Arbeit nie ausgeht. Und wenn man fertig ist, fängt man wieder von vorne an. Auch das Leben für den Gast ist mir nicht neu. In der Beratung hieß er Kunde. Ich bin sehr glücklich, dass ich in meiner Aufgabe hier das Credo des Europäischen Hofs leben kann. „Wir lieben, was wir tun“. Die Zufriedenheit des Gastes beginnt mit der Zufriedenheit des Mitarbeiters. Reine Umsatz- oder Ergebnisziele motivieren aus meiner Sicht nicht. Leistung entsteht in der Regel, wenn ein tieferer Sinn verfolgt wird. Die Vision, die uns leitet, ist, einen Ort zu schaffen, an dem Gäste gerne übernachten, essen, trinken, anderen Menschen begegnen und sich zutiefst wohl- und aufgehoben fühlen. Wir wissen, dass diese Form der besonderen Dienstleistung kein Regelwerk, sondern Ausdruck einer inneren Haltung ist. Das lässt sich auf alle Lebensbereiche übertragen. Wir haben uns daher vorgenommen, das „herzlichste Luxushotel Deutschlands“ zu sein. Und unter „Luxus“ verstehen wir nicht vergoldete Wasserhähne, eine 200 Quadratmeter Penthouse-Suite oder die Dose Kaviar auf dem Silbertablett. Luxus für uns ist vielmehr eine besondere Form von Aufmerksamkeit, herzlicher Zuwendung und echter Präsenz.
HERZWERT: Jedes Zimmer im Europäischen Hof ist einzigartig. Keines gleicht dem anderen. Jeder Vorhang ist handverlesen, jeder Stuhl ist einzigartig und alles wurde im eigenen Hause so hergestellt. Alles aus einer Hand, alles aus der Region ‒ keine Fremdfirmen, kein Outsourcing. Was bestärkt Sie, gerade in der heutigen Zeit, dieser bemerkenswerten Philosophie treu zu bleiben, und was bedeutet Ihnen der „regionale Bezug“?
Caroline von Kretschmann: In gewisser Weise haben wir aus der Not eine Tugend gemacht. Wir investieren zwar jedes Jahr mindestens 800.000 Euro nur in den Erhalt der guten Substanz des Hauses ‒ alle großen Investitionen werden mit Fremdkapital finanziert ‒ aber wir würden natürlich gerne immer noch viel mehr machen. Doch wir müssen mit unseren begrenzten Mitteln haushalten. Und damit alles immer in einem sehr guten Zustand ist, haben meine Eltern auch das Bestehende nicht nur gewertschätzt, sondern alles auch innovativ genutzt. Nichts wird bei uns einfach nur weggeworfen. So werden Stühle mit wunderbaren Stoffen neu und meisterlich gepolstert, wenn sie nicht mehr in bester Verfassung sind. Und zwar von unserem fest angestellten Polsterer Arnold Nowottny. Jeder Stuhl und jedes Sofa im Hotel geht durch seine Hand. Parkettböden werden von unserem Schreiner gelegt, Räume durch unsere fest angestellten Maler gestrichen und die Technik von unseren eigenen Elektrikern rund um die Uhr überwacht. Alles wird verwandelt und mit Liebe fürs Detail und Respekt vor dem Gegenstand behandelt. Meine Mutter versteht es perfekt, mit viel Kreativität und Geschmack Stoffe und Materialien auszuwählen und die Räume liebevoll und stilsicher zu gestalten, mein Vater sorgt für die technische Perfektion, und unsere wunderbaren Kollegen setzen alles mit viel handwerklichem Geschick um. Und sollten wir Fremdfirmen brauchen, z. B. für den aufwendigen Umbau von Bädern oder die Integration einer neuen, modernen Klimaanlage, versuchen wir immer, Firmen der Region zu wählen. Wir fühlen uns hier einfach sehr verwurzelt und wollen damit natürlich auch die Ressourcen schonen. Warum bleiben wir dieser Philosophie treu, alles so gut es geht zu nutzen und so viel wie möglich selbst zu machen? Weil wir die Seele des Hauses erhalten wollen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen und der Respekt sowie die Verbundenheit mit Menschen und Dingen geht uns vor ökonomischer Optimierung. Und wir glauben, dass der Gast diese Liebe spürt, die in jedem Detail steckt. So spürt er z. B. auch, ob sein Zimmer mit Liebe und Herzlichkeit von Zimmermädchen sauber gemacht wurde, die dem Hause sehr verbunden sind und wir ihnen.
HERZWERT: Es entsteht der Eindruck, dass die Mitarbeiter fast schon zur Familie gehören.
Caroline von Kretschmann: Die 160 Mitarbeiter, davon 40 Auszubildende, sind neben meinen Eltern die Seele des Hauses. Wir sind unglaublich stolz auf jeden Einzelnen von ihnen. Manche sind schon über 40 Jahre bei uns. Das macht ein Familienunternehmen häufig aus und das trägt mit dazu bei, dass wir hier lieben, was wir tun. Weil wir auch die Menschen lieben, die mit uns gemeinsam diesen Ort schaffen wollen, an dem Menschen glücklich sind. Zumindest für ein paar Momente.
Hier das „Happy-Video“ der Auszubildenden:
Hier haben wir externe Medien eingebunden
HERZWERT: Fühlen Sie sich als Berlinerin? Zu Gast in Heidelberg? Oder andersrum? Wie kommen Sie damit zurecht?
Caroline von Kretschmann: Berlin ist mein Zuhause. Heidelberg mein Schicksal. An Berlin liebe ich die Freiheit und Offenheit, das „Jeden-sein-Lassen“, die Dynamik, natürlich die Lässigkeit und das Großstädtische. Ich mag auch die Ecken und Kanten. Und auch die Anonymität, wobei man im Kiez auch kleinstädtische Strukturen leben kann, wenn man das will. In Berlin habe ich mich vom ersten Tag an zu Hause und wohlgefühlt. Heidelberg ist meine Heimatstadt. Als Kind habe ich es geliebt, hier groß zu werden. Viel Natur, die Überschaubarkeit, in gewissem Sinne die Unversehrtheit. Ganz direkt dadurch, dass Heidelberg im Zweiten Weltkrieg nicht bombardiert wurde, aber auch im Lebensgefühl vieler Menschen. Das ist auch sehr stark vom breiten Bildungsbürgertum geprägt. Durch das Familienunternehmen ist Heidelberg mein Schicksal. Wie gesagt, lässt das Unternehmen einen nicht los. Und es macht mir auch große Freude. Wenn Nachfolge funktioniert, ist das zutiefst berührend und ein echter Glücksquell für Vorgänger und Nachfolger. Im Moment pendle ich noch fast wöchentlich zwischen Berlin und Heidelberg und ich liebe das Spannungsfeld. Und dank meiner Bahncard 100 kann ich die Zeit im Zug herrlich nutzen.
HERZWERT: Ist der Europäische Hof nicht auch ein Stück Heidelberg?
Caroline von Kretschmann: Ja, wahrscheinlich ist der Europäische Hof aufgrund seiner über 150-jährigen Geschichte auch ein Stückchen Heidelberg. Zumindest bekommen wir das oft gesagt. Der Europäische Hof wird nach wie vor als Institution wahrgenommen ‒ im Ausland, aber auch vor Ort. Viele Heidelberger verbinden ganz persönliche Erinnerungen mit unserem Hotel. Und auch diese Erinnerungen machen das Hotel aus. Insgesamt bekommen wir sehr viel Wertschätzung, und ich glaube, viele Heidelberger freuen sich, dass es uns noch gibt. Wir freuen uns immer sehr, wenn wir in einer Reihe mit dem Schloss und der Universität genannt werden. Und auch wir fühlen uns natürlich zutiefst verwurzelt in Heidelberg und der Heidelberger Gesellschaft, deren kulturellen, wissenschaftlichen und sozialen Institutionen sowie den ansässigen Unternehmen. Für mich ist Heidelberg hauptsächlich der Europäische Hof. Wenn ich hier bin, komme ich nur selten raus. Und er ist eine Welt für sich. Vielleicht ändert sich das noch ein wenig.
HERZWERT: Wird es den Europäischen Hof auch noch in der fünften Generation in Heidelberg geben?
Caroline von Kretschmann: Viele wünschen sich, dass der Europäische Hof auch in der vierten oder sogar fünften Generation von der Familie von Kretschmann geführt wird. Das wird uns immer wieder gesagt. Ob dies möglich wird, hängt in jeder Generation von vielen Faktoren ab, ökonomischen, emotionalen und sehr persönlichen. Wir hoffen und arbeiten daran, dass wir auch zukünftig in verantwortungsvollen, verbundenen und gemeinsam getragenen Nachfolgeprozessen die richtigen Entscheidungen treffen, die zum Glück und zur Zufriedenheit aller Familienmitglieder beitragen, ebenso wie zum Erfolg und zur Stabilität des Unternehmens und damit zur Freude und Sicherheit aller Mitarbeiter führen. Das ist unser großer Wunsch. Unser Ziel im Moment ist es auf jeden Fall, diesen besonderen und geschichtsträchtigen Ort als das familiäre Zuhause für die Reisenden und als lebendiges Wohnzimmer für die Heidelberger und alle Menschen der Umgebung zu erhalten und weiterzuentwickeln. Der Europäische Hof soll auch zukünftig ein Ort sein, an dem alle Mitarbeiter erfüllt sind von ihrer Arbeit und mit Freude und Leidenschaft anderen Menschen eine Freude bereiten wollen, ein Ort, an dem Gäste nicht nur gerne übernachten, tagen, feiern und interessante Begegnungen erleben können, sondern sich zutiefst wohl- und aufgehoben fühlen. Hier soll sich jeder und jede, ob Lieferant, Partner, Mitarbeiter oder Gast, aufrichtig wertgeschätzt und besonders behandelt und verstanden fühlen. Zusammenfassend ausgedrückt: der Europäische Hof als ein Ort, der Menschen glücklich macht. Diese Vision geht weit über ein ökonomisches Ziel hinaus und ist der tiefere Sinn unseres Tuns.
HERZWERT: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wofür würden Sie ihn einsetzen?
Caroline von Kretschmann: Das wir unsre Vision realisieren. Denn wir können die Welt nicht verbessern. Aber wir können mit vielen ganz konkreten täglichen Taten einen kleinen Beitrag zu einer Welt leisten, in der wir gerne leben wollen.
HERZWERT: Wir bedanken uns für das schöne Gespräch.
Wer noch mehr über den Europäischen Hof und die Familie von Kretschmann erfahren will, kann sich gerne durch die folgenden Links klicken:
Der Europäische Hof im Netz: www.europaeischerhof.com
Der Europäische Hof auf facebook: www.facebook.com/EuropaeischerHofHeidelberg
Link zu einem Interview mit dem Rhein-Neckar-Fernsehen:
www.rnf.de/mediathek/video/rnf-profil-dr-caroline-von-kretschmann/
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